Bei unserem Partnerverlag wieder gelesen:
Zitate aus Kathrins Geschichte
„Am dreißigsten April neunzehnhunderteinundsiebzig, abends um zehn Uhr vierundzwanzig, beschloss ich, mein Leben zu ändern. Ich war einundvierzig Jahre alt, ledig, gesund, etwas zu dick, hatte eine Manie, alles in genaue Zahlen oder Listen zu fassen, ließ mir meine Haare rotblond färben und galt mit meinem stadtbekannten Einrichtungsgeschäft als gutverdienende Karrierefrau. Aber ich hatte genug!
„Genug haben“ hat zwei ganz verschiedene Bedeutungen, je nachdem man das erste oder das zweite Wort betont. Ich hatte genug von der Hetze nach mehr und mehr Geld. Immer höhere Mietzinsen, die steigenden Löhne für meine sechs Angestellten und meine jedes Jahr luxuriöser werdende Lebenshaltung zwangen mich zu bald unerträglichen Arbeitsleistungen.
Ich hatte auch genug von verstopften Autostraßen, überfüllten Parkplätzen, zu rasch eingenommenen Mahlzeiten in verrauchten Restaurants, von nach Benzin und Öl stinkender Luft, von hastenden Menschen und zuckenden Leuchtreklamen.
So setzte ich mich an jenem Abend hin und notierte mir auf einem Zettelchen, worauf ich eigentlich verzichten könnte. Das Zettelchen habe ich immer noch, und die einzelnen Punkte stimmen auch heute. Ich kann entbehren: das Leben in der Stadt im allgemeinen, elegante Kleider, Friseur, Kosmetiksalon, teures Auto, Flugreisen, Hotelferien, Reiten und Skifahren, Kino.
Wenn ich ganz einfach lebte, hatte ich genug finanzielle Mittel, um meinen Traum zu verwirklichen. Seit mehr als einem Jahr besaß ich einen kostbaren Schatz, der darauf wartete, daß ich ihn endlich hebe – den Monte Valdo!”
Kathrin Rüegg, aus Kleine Welt im Tessin.
Ein aussergewöhnlicher Mensch
Während in den 70er-Jahren, der Zeit von Flower-Power und Hippie-Bewegung, viele zwar davon sprachen, aber den Ausstieg nicht wirklich wagten, war Kathrin Rüegg einer der wenigen Menschen, die nochmals ein ganz neues, naturverbundenes und einfaches Leben begannen; dieses ohne großes Aufheben oder irgendeiner Aussteiger-Philosophie anzuhängen.
Als Selfmade-Frau hatte sie während Jahren ein erfolgreiches Innenarchitektur-Unternehmen in Basel aufgebaut und geführt, sich ein finanzielles Polster angespart und in gehobenen Kreisen verkehrt. Trotz allem Luxus fühlte sie aber, wie sich immer stärker eine Unzufriedenheit in ihrem Leben ausbreitete. Doch sie hatte einen Plan.
Der Neuanfang im Tessin
Sie fasste am 30. April 1971 den Entschluss für einen Neuanfang, verkaufte praktisch ihr ganzes materielles Hab und Gut und machte sich auf ins Tessin, wo sie in einem abgelegenen Bergweiler – dem Monte Valdo – ein Feriendorf für alltagsmüde Menschen gründen wollte. Mit viel Elan und Schaffenskraft stürzte sich Kathrin in ihr Abenteuer, suchte mit der Wünschelrute nach Wasseradern, machte Anlehren als Maurerin, Elektrikerin und Schafhirtin und begann, ihren Traum zu verwirklichen – bis sie durch einen Bankenbankrott fast ihr ganzes Erspartes verlor und vor dem Nichts stand.
Wie es ihr durch Willenskraft, nie versiegendem Lebensmut und einer klaren Vision gelang, dennoch zu einem erfüllenden Leben in den Tessiner Tälern und Wäldern zu finden, hielt Kathrin in ihren zahlreichen Tagebüchern fest, die zu einem festen Bestandteil der Schweizer Kulturlandschaft wurden und nicht nur Tessin-Liebhaber in ihren Bann zogen.
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Der Aargauer Verlag smartmyway hat es sich zur Aufgabe gemacht, Die Tessiner-Tagebücher von Kathrin Rüegg wieder zu veröffentlichen – eine Herzensangelegenheit, um das Erbe dieser außergewöhnlichen Autorin, die dieses Jahr, 2020, 90 Jahre alt geworden wäre, am Leben zu erhalten.
Weitere Infos über Kathrin Rüegg und ihre kleine Welt im Tessin finden Sie bei smartmyway, unserem Partnerverlag. Die Tessiner-Tagebücher sind in der Übersicht detailliert beschrieben. Viel Vergnügen!